Quedlinburg: Welterbestadt im Harzvorland

Zugegeben: So richtig im oder am Harz liegt Quedlinburg nicht. Dafür im Harzvorland. Einen Besuch ist die Welterbestadt mit ihren über 1.000 (!) Fachwerkhäusern aber allemal wert.

Quedlinburg: Kaum eine Stadt „am“ Harz kann mit der der Welterbestadt mithalten. Ein Wunder ist das freilich nicht. Die einstige Königspfalz und Hansestadt kann erstens mit 1.000 Jahren Geschichte aufwarten. Zweitens obendrein mit über 1.300 meist wunderschön restaurierten Fachwerkhäusern.

Apropos: Die Stadt liegt an der Bode im nördlichen Harzvorland im Landkreis Harz (Sachsen-Anhalt) inmitten des Quedlinburger Sattels. Dieser Schmalsattel zieht sich von Nordwest nach Südost durch die Stadt und ist verantwortlich für gleich zwei der hiesigen Wahrzeichen. Und zwar den Quedlinburger Schlossberg und den Münzenberg-Strohberg.

1.000 Jahre deutsche Geschichte

Quedlinburg ist jedenfalls vieles. Enge Gassen, Kopfsteinpflaster, Sandsteinfels, Fachwerkhäuser. Angeblich bekam der Sachsenherzog Heinrich 919 hier die Königskrone überreicht. Unterwegs auf Vogelfang fasste man den Herzog ab. Am Ort des Geschehens steht heute ein Denkmal (Turnstraße, Sparkasse). Zum König des Ostfränkischen Reichs wurde Heinrich allerdings auf dem Reichstag in Fritzlar (Nordhessen). Heinrich war es jedenfalls, der 922 Quedlinburg erstmals schriftlich in einer Urkunde erwähnen ließ. Und zwar als

villa quae dicitur Quitilingaburg
eine Stadt namens Quitilingaburg

Heinrich I. war überhaupt ein großer Fan der Stadt. Anno 936 fand der König hier seine letzte Ruhe fand. Ebenso wie 30 Jahre später seine Gemahlin Mathilde. Diese gründete übrigens im Todesjahr ihres Gatten das weltliche Stift Quedlinburg für adlige Damen. Ihr Sohn, Otto I. (912 – 973), versah dieses wiederum mit reichem Landbesitz. Alle heutigen Wüstungen um die Bodestadt gehörten dazu. Ebenso wie das gut 170 km entfernte Soltau. Sowie der Volkmarskeller samt der Kirche St. Michael bei Blankenburg (956), Duderstadt (974), Potsdam (993) oder Gera (999). So besaß das Quedlinburger Damenstift irgendwann um die 150 Orte. 966 wurde Mathilde, eine Enkelin von Heinrich I. und Mathilde, erste Äbtissin in jenem Stift.

Die Stadt verlor jedenfalls nicht an Bedeutung. Im Gegenteil: Die Pfalz Quedlinburg wurde ein wichtiges Zentrum der Politik. Zwischen 922 und 1207 sind 69 Besuche der deutschen Könige und Kaiser dokumentiert. Entsprechend ging es mit der Stadt stetig bergauf. 994 verlieh Kaiser Otto III. (980 – 1002) Quedlinburg das Markt-, Münz- und Zollrecht. Um das Jahr 1.000 entstand die heute so legendäre Altstadt. 1129 weihte Lothar III. (1075 – 1137) die neue Stiftskirche.

Quedlinburg als Mitglied der Hanse

Zwischen 1164 und 1180 gab es „Kämpfe um Quedlinburg“, die allerdings nicht näher dokumentiert scheinen. 1426 trat die Stadt der Hanse bei. Nur um bereits 1477 wieder auszutreten. Im gleichen Jahr kam es zu einem bewaffneten Zwist zwischen den Bürgern und der Äbtissin des Stifts. Bei diesem wurde der steinerne Roland gestürzt. 1539 führten die Oberen die Reformation ein. 1802 löste man das Damenstift auf – nach rund 900 Jahren. Das Schloss ging jedenfalls an Preußen über.

Ab 1815 (bis 1938) war Quedlinburg Garnisonsstadt. Stationiert waren zuerst Einheiten des Kürassier-Regiments Nr. 7. Später außerdem das 7. Landwehr-Reiter-Regiment. Ab 1859 ein Bataillon des Infanterie-Regiments Nr. 67, ab 1871 Einheiten des Infanterie-Regiments 165. Ab 1905 war das I. und III. Bataillon des Infanterie-Regiments 165 samt dem Regimentsstab in Quedlinburg stationiert. Das spülte der Stadt einiges an Geld in die Kassen.

1862 bis 1882 restaurierten die Stadtväter die Stiftskirche und zogen den Südturm neu hoch. Schon 1869 stellte man den Roland vorm Rathaus neu auf. Im 19. Jahrhundert entpuppte sich auch die neue Saatgutzucht als großer Wurf. Quedlinburg gedieh. Den Zweiten Weltkrieg überstand die Stadt – 1943/1944 Lazarettstadt – recht unbeschadet. Es gab einzelne Treffer durch Artillerie, aber keine Bombenangriffe. Dafür nutzten die Nazis die Geschichte Quedlinburgs für ihre Zwecke. So feierte man den 1.000 Todestag Heinrich I. anno 1936 mit großem Pomp. Ein Jahr später präsentierte Himmler dessen wiederentdeckte Gebeine und ließ diese neu beisetzen. Nach dem Krieg erwiesen sich diese allerdings als Fake.

Fast-Abriss der Quedlinburger Altstadt

Die Zeit in der DDR war jedoch nicht viel besser. Obwohl Quedlinburg vom Krieg weitgehend verschont blieb, verfiel die Altstadt. Daher kamen Pläne auf, die Fachwerkhäuser abzureißen und durch Plattenbauten zu ersetzen. Dazu kam es allein aus Geldmangel nicht. 1976 eröffnete dafür eines der heutigen Quedlinburger Wahrzeichen: das Fachwerkmuseum im Ständerbau. Mitte der 1980er wurden dann doch einige Plattenbauten gebaut. Mit dem eigens angepassten Typ HMBQ (Hallesche Monolithbauweise Typ Quedlinburg) versuchte man diese an den historischen Look anzugleichen. Parallel sanierte man mit der Hilfe polnischer Restaurateure erste Fachwerkhäuser.

Die meisten Quedlinburger Fachwerkhäuser wurden allerdings erst nach der Wende aufwändig restauriert. Mit Erfolg: 1994 nahm die UNESCO die Altstadt und den Schlossberg in die Welterbeliste der schützenswerten Kulturgüter auf. Schon 1993 feierte Quedlinburg außerdem die (teilweise) Rückführung des 1945 nach Kriegsende geraubten Domschatzes. Diesen könnt ihr heute im Schlossmuseum auf dem Schlossberg (Stift) besichtigen. Infos findet ihr unter domschatzquedlinburg.de.

Die Sehenswürdigkeiten der Welterbestadt

Die Innenstadt lockt vor allem mit Cafés, Restaurants und Fachwerkhäusern. Anschauen solltet ihr euch unbedingt den Schlossberg mit der Stiftskirche St. Servatius. Hier ist auch das Schlossmuseum daheim. Neben der Geschichte des Burgbergs sowie des Stifts zeigt dieses interessante Artefakte. Zum Beispiel den Hortfund vom Lehof (Bronzezeit), die Goldscheibenfibel aus Groß Orden und den legendären Raubgrafenkasten. In diesem hielten die Quedlinburger (angeblich) den Regensteiner Grafen Albrecht II. gefangen. Eine Balliste aus dem Mittelalter ist ebenfalls ausgestellt.

Die Altstadt besticht wie gesagt mit über 1.300 Fachwerkhäusern. Damit besitzt Quedlinburg genauso viele wie Wernigerode (624), Stolberg (354) und Osterwieck (353) zusammen. Interessant sind jedenfalls…

  • das Gildehaus „Zur Rose“ (Breite Straße 39)
  • die „Börse“ (Steinweg 23)
  • der frühere Gast- und Kaufmannshof Weißer Engel (Lange Gasse 33)
  • der Kaufmannshof (Breite Straße 34)
  • das Lohgerberhaus (Markt)
  • das Haus Grünhagen (Markt)
  • die Schlossmühle Quedlinburg

Es zudem einige schmucke Steinbauten wie das/der…

  • Rathaus aus dem 13./14. Jahrhundert mit Rolandstatue
  • Hagensches Freihaus, Stadtschloss, heute Hotel (Bockstraße 6 / Klink 11)
  • Salfeldtsches Palais (Kornmarkt 5)
  • Höllenhof (Hölle 11)

Von der Geschichte Quedlinburg zeugen zudem viele gute erhaltene Reste der mittelalterlichen Stadtmauer samt etlichen Wehrtürmen. Der größte ist mit 40 m Höhe der Schreckensturm (Goldstraße), der parallel als Lochgefängnis sowie Folterkammer diente. Der Lindenbeinsche Turm ist gut an seinem grünen Dach erkennbar und für Besucher geöffnet. Viele Türme sind heute in privater Hand, zwei zu Wohnungen ausgebaut. Von den Stadttoren ist dagegen nur noch das Kaisertor als ausgebauter Stadtturm erhalten.

Rund um die Stadt gab es außerdem elf Wachtürme als Frühwarnsystem. Sechs dieser Feldwarten sind bis heute erhalten. Und zwar die…

  • Bicklingswarte
  • Lethwarte
  • Altenburgwarte
  • Gaterslebener Warte
  • Steinholzwarte
  • Seweckenwarte

Parallel locken diverse Museen und Galerien wie das/die

  • Kloppstockhaus (Geburtshaus von Friedrich Gottlieb Klopstock)
  • Fachwerkmuseum „Ständerbau“
  • Lyonel-Feininger-Galerie
  • Galerie Weißer Engel
  • Galerie im Kunsthoken
  • Mitteldeutsche Eisenbahn- und Spielzeugmuseum
  • Museum für Glasmalerei und Kunsthandwerk (Wordspeicher)
  • Münzenbergmuseum
  • Galerie im kleinen Kunsthaus

Quedlinburger Persönlichkeiten

Persönlichkeiten brachte die schöne Stadt an der Bode ebenfalls einige hervor. Zum Beispiel Deutschlands erste Ärztin, Dorothea Erxleben (1715–1762). Sowie…

  • Jordan von Quedlinburg (* um 1300–1370/80), Prediger, Schriftsteller
  • Andreas von Rauchbar (1559–1602), deutscher Rechtsgelehrter
  • Otto vom Hagen (1562–1626), Bergbauunternehmer
  • Christoph Vitzthum von Eckstedt (1594–1653), kursächsischer Beamter
  • Andreas Dietrich Apel (1662–1718), Handelsherr, Seidenfabrikant
  • Johann Salomon Brunnquell (1693–1735), Rechtshistoriker, Kirchenrechtler
  • Carl Friedrich von Dachröden (1705–1742), Hof- und Kammergerichtsrat
  • Johann Christian Polycarp Erxleben (1744–1777), Naturwissenschaftler
  • Carl Friedrich Cramer (1752–1807), Altphilologe, Linguist
  • Johann Heinrich Christian Erxleben (1753–1811), Rechtsgelehrter
  • Rudolf von Preen (1755–1841), Richter, Regierungschef in Waldeck-Pyrmont
  • Johann Christoph Friedrich GutsMuths (1759–1839), Vater der deutschen Gymnastik
  • Carl Ritter (1779–1859), Begründer der wissenschaftlichen Erdkunde
  • August Trautewein (1860–1932), Politiker (SPD)
  • Heinrich Anz (1879–1933), Jurist, Präsident Oberlandesgericht Kassel
  • Karl Selig (1889–1945), Oberbürgermeister, NSDAP-Reichstagsabgeordneter
  • Kurt Herzog (1889–1948), General der Artillerie (Wehrmacht)
  • Joachim Sperling (1891–1975), Generalleutnant (Wehrmacht)
  • Georg Ay (1900–1997), NSDAP-Reichstagsabgeordneter
  • Hermann Klumpp (1902–1987), Bauhaus-Schüler, Retter diverser Lyonel Feininger-Werke
  • Wolfgang Junker (1929–1990), Minister für Bauwesen DDR
  • Hans-Heinrich Simon (1931–2010), Politiker (NDPD), Mitglied DDR-Staatsrat
  • Ulli Nitzschke (1933–2013), Boxer
  • Hans-Jörg Krüger (* 1942), Basketballspieler
  • Hedda von Wedel (geb. Meseke, * 1942), Politikerin (CDU), erste Präsidentin Bundesrechnungshof
  • Harald Seifert (* 1953), Bobfahrer
  • Hildigund Neubert (* 1960), Politikerin
  • Petrik Sander (* 1960), Fußballtrainer
  • Martin Ruch (* 1962), Landtagsabgeordneter (CDU)
  • Petra Schersing (geb. Müller; * 1965), Sprinterin
  • Dirk Grempler (* 1968), Fußballer
  • Ulrich Thomas (* 1968), Landtagsabgeordneter (CDU)
  • Dagmar Hase (* 1969), Schwimmerin, Olympiasiegerin
  • Thomas Balcerowski (* 1972), Rechtsanwalt, Kommunalpolitiker
  • Marco Gebhardt (* 1972), Fußballer
  • Sven Schulze (* 1979), Politiker (CDU), Europaparlament
  • Ina Hüging (* 1980), Schwimmerin
  • Tucké Royale (* 1984), Performancekünstler, Autor, Regisseur, Musiker, Schauspieler
  • Florian Eichner (* 1985), Riemenruderer
  • Wiebke Neumann (* 1986), Politikerin (SPD)

Alljährliche Events in Quedlinburg

Alljährlich bietet die Fachwerkhaus-Stadt an der Bode übrigens diverse Veranstaltungen. Das größte liegt in der Weihnachtszeit: der Advent in den Höfen. Bei diesem laden sonst meist geschlossene Höfe zu einem Besuch im typischen Weihnachts-Flair.

Interessante Quedlinburger Events sind jedenfalls…

  • Kaiserfrühling (Ostern & Pfingsten)
  • Die lange Nacht der Museen (Mai)
  • Kunst- und Musikinstallation „Zauber der Bäume“ (Juli)
  • Quedlinburger Musiksommer (Juni – Sept.)
  • Gildefest der Quedlinburger Kaufmannschaft (August)
  • Tag des offenen Denkmals (Sept.)
  • Musikfestival Fête de la Musique (Sommer)
  • Quedlinburger Dixieland- und Swingtage (alle drei Monate)
  • Milonga (Tanzabend mit argentinischem Tango, monatlich)

Verkehrsanbindung: So erreicht ihr Quedlinburg

Erreichen könnt ihr die schmucke Fachwerk-Stadt auf verschiedene Weise. Zum einen liegt Quedlinburg an der A36 (Braunschweig – Bernburg (Saale) Halle (Saale)). Außerdem besitzt die Stadt einen Durchgangsbahnhof. Dieser verbindet Quedlinburg gen Nord nach Magdeburg und sogar bis Berlin. Außerdem dampft ab hier die legendäre Harzquerbahn (HSB) über die Selketalbahn durch den Harz. Buslinien gibt es nach Blankenburg und Wernigerode sowie Ballenstedt und Aschersleben.

Heute umfasst Quedlinburg übrigens auch die Orte

  • Münchenhof
  • Gersdorfer Burg
  • Morgenrot und
  • Quarmbeck

sowie seit 2014 obendrein

  • Bad Suderode und
  • Gernrode samt
  • Haferfeld und
  • Forsthaus Sternhaus.

So kommt die Stadt an der Boden heute auf rund 23.300 Einwohner. Die offizielle Website findet ihr unter quedlinburg.de. Dazu gibt es die spezielle Tourismus-Seite quedlinburg-info.de.

Quellen: quedlinburg-info.de, wikipedia.de

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