Ballenstedt: Die Wiege Sachsen-Anhalts

Die Wiege Anhalts: Diesen Ruf trägt Ballenstedt am nördlichen Harzrand zu recht. Denn das Städtchen zwischen Quedlinburg und Aschersleben gilt als Stammsitz derer von Anhalt.

Am nördlichen Rand des Ostharz im Landkreis Harz (Sachsen-Anhalt) liegt das hübsche Kleinstadt Ballenstedt. So klein der Ort – für eine Stadt – sein mag, so interessant ist er auch. Bereits 1073 wird Ballenstedt erstmals erwähnt. Und zwar in einer Urkunde von König (und späteren Kaiser) Heinrich IV. (1050 – 1106). In dieser Urkunde fällt der Name des Grafen Esico. Zwar wurde dieser zu seiner Zeit nie „von Ballenstedt“ genannt. Dafür gilt Esico (um 990/1000 – ca. 1060) als Stammvater des Hauses Askanien. Das wieder ist die Latinisierung von Aschersleben. Die dortige Burg – heute eine Ruine und Teil des Zoos – gilt als einer der Stammsitze der Askanier. Wie auch die Burgen Anhalt und Bernburg sowie das Schloss Ballenstedt.

Albrecht der Bär macht die Askanier groß

Esico ließ jedenfalls auf dem Schlossberg das Kollegiatstift St. Pancratius und Abundus bauen. Das wieder wurde angeblich 1046 in Anwesenheit von König Heinrich III. (1016/1017 – 1056), dem Vater von Heinrich IV., geweiht. Diese Urkunde gilt heute jedoch als (wahrscheinliche) Fälschung. Somit gilt die Urkunde von Heinrich IV. als erste Erwähnung des Ortes.

So oder so: Auf Esico folgte dessen Sohn Adalbert II. (ca. 1030 – 1080). Dem wieder dessen Sohn Otto der Reiche (1070 – 1123), Erbauer der Burg Anhalt. Und diesem schließlich Albrecht I. von Brandenburg (ca. 1100 – 1170), erster Markgraf eben von Brandenburg. Heute vor allem als Albrecht der Bär bekannt. Albrecht und sein Vater Otto wandelten das Stift jedenfalls 1123 in einer Benediktinerkloster. Otto war der erste Askanier, der (ab 1106) den Namen von Ballenstedt führte. Sohnemann Albrecht war wiederum recht umtriebig und gilt heute als Begründer der Mark Brandenburg sowie des Fürstentums Anhalt. 1170 fand der „Bär“ zusammen mit seiner Frau Sophie seine letzte Ruhe in der Klosterkirche von Ballenstedt.

Ballenstedt und das Erbe der Askanier

Sein Enkel Heinrich I. (1170 – 1252) war dann (wahrscheinlich ab 1218) der erste Fürst von Anhalt. Ballenstedt galt zu jener Zeit allerdings noch als „Dorp“ (mittelniederdeutsch für Dorf). 1512 erhält der Ort von Fürst Wolfgang von Anhalt (1492 – 1566) das Braurecht. Im Deutschen Bauernkrieg (1524 – 1526) kam es zur Stürmung und teilweisen Zerstörung des Klosters. Fürst Wolfgang nutzte kurzerhand die Gunst der Stunde und baute das Kloster zur Residenz aus. 1543 verlieh der Fürst dem „Dorp“ dann das Stadtrecht. Spätestens ab 1551 gab es eine Stadtbefestigung. Ein Rathaus samt einem Rat sind ab 1582 verbrieft. Im Dreißigjährigen Krieg ließ 1626 Wallenstein die Stadt stürmen und plündern.

Die Fürsten bauten Ballenstedt jedoch wieder auf – und aus. Die Residenz auf den Resten des Klosters wurde zum Schloss. 1765 erhob dann Fürst Friedrich Albrecht die Stadt zur offiziellen Residenzstadt. 1788 begann der Bau des Schlosstheaters, in dem unter anderem Franz Liszt und Albert Lortzing auftraten. 1863 wurde Ballenstedt schließlich zu einer der fünf Kreisstädte des Landes Anhalt. Parallel wählten immer mehr vermögende Pensionäre die Stadt als Alterssitz. Zum Beispiel die Witwe des letzten Herzogs von Anhalt-Bernburg, Friederike von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg. Das Schloss diente übrigens bis 1945 der herzoglichen Familie als privater Wohnsitz.

Ballenstedter Wappen erinnert an Askanier

Unter dem NS-Regime hatten vor allem die jüdischen Einwohner zu leiden, die alle deportiert wurden. Die Nazis errichteten zudem auf dem Großen Ziegenberg die Napola NPEA Anhalt, in der man die künftige Elite „züchten“ wollte. Das DDR-Regime nutzte die Anlage prompt als Bezirksparteilschule der SED weiter. Das Schloss fiel nach der Enteignung der Schlossherren ebenfalls an den Staat und beheimatete fortan eine Ingenieurschule für Forstwirtschaft. Statt Tourismus setzten die Stadtherren auf Industrie. Nach der Wende folgte auch in Ballenstedt eine Wende. Viele Betriebe musste aufgeben, dafür erlebte der Tourismus einen neuen Boom. Trotzdem schrumpfte die Bevölkerung von rund 12.000 auf unter 8.000 Menschen.

Dafür würdigt der Ort „seine“ Askanier bis heute. Das Wappen der Stadt zeigt „gespalten in Gold drei rechts nach unten gebrochene schwarze Balken“. Damit lehnt sich dieses an das Wappenschild der Grafen von Ballenstedt an. Dieses war neun Mal von Schwarz und Gold geteilt.

Sehenswürdigkeiten von Ballenstedt

Dank den früheren Grafen und Fürsten kann das kleine Städtchen übrigens mit etlichen Sehenswürdigkeiten aufwarten. Ganz oben bei einem Stadtbesuch sollten das dreiflügelige Schloss Ballenstedt im Barockstil und der Schlosspark stehen. Im früheren Marstall ist heute ein feines Café zu finden.

Die Ballenstedter Sehenswürdigkeiten sind jedenfalls diese…

  • Schloss Ballenstedt
  • Schlosspark
  • Schlosstheater
  • Schlosshotel Großer Gasthof
  • Heimatmuseum (Kügelgenstraße 35a)
  • Gelbes Haus (Stadtausfahrt gen Rieder)
  • Allee (Auffahrt zum Schloss)
  • Altes Rathaus
  • Neues Rathaus
  • St.-Nikolai-Kirche
  • Stadtmauer (Wallstraße)
  • die Wachtürme Oberturm, Unterturm und Marktturm (der letzte ist begehbar)
  • Badehaus
  • St.-Elisabeth-Kirche
  • Oberhof Ballenstedt
  • Napola Ballenstedt

Außerhalb locken außerdem

  • Bismarckturm (Opperode)
  • Gegensteine (Teufelsmauer)
  • Roseburg (gen Rieder)

alljährliche Events von Ballenstedt

Die größte alljährliche Veranstaltung von Ballenstedt ist das Rockharz Open Air, dass seit 2009 auf dem Flugplatz stattfindet. Die Disco Mirage feiert wiederum Jahr für Jahr am 2. Juli das We Are Born Festival.

Persönlichkeiten der Stadt

Selbstredend brachte Ballenstedt auch einige Persönlichkeiten hervor. Geboren in dem Ort sind unter anderem…

  • Uta von Ballenstedt (um 1000 – vor 1046), Stifterin Naumburger Dom
  • Johann Arndt (1555–1621), Theologe
  • Wilhelm Ernst Starke (1692–1764), Theologe, Philologe
  • Ernst Julius Marx (1728–1799), Orgelbauer
  • Pauline zur Lippe (1769–1820), Regentin des Fürstentum Lippe
  • Caroline Bardua (1781–1864), Malerin
  • Franz Junot (1785–1846), Berghauptmann, Schwiegersohn Schillers
  • Christian Friedrich Gille (1805–1899), Maler, Zeichner, Kupferstecher
  • August Reinhard (1831–1912), Komponist, Verfasser einer Harmoniumschule
  • Gustav Strube (1867–1953), Komponist
  • Wilhelm von Krosigk (1871–1953), Offizier der Kaiserlichen Marine, Konteradmiral
  • Wilhelm Thiele (1897–1990), Politiker (NSDAP)
  • Marie Auguste von Anhalt (1898–1983), Prinzessin
  • Friedrich Bloch (1904–1996), Oberbürgermeister von Gera (1945 – 1948)
  • Horst Hiestermann (* 1934), Opernsänger
  • Eduard Prinz von Anhalt (* 1941), Oberhaupt Haus Anhalt-Askanien (seit 1963)
  • Justus Pfaue (1942–2014), Schriftsteller, Drehbuchautor
  • Heidelore Böcker (* 1943), Mediävistin, Hansehistorikerin
  • Eckhard Lesse (* 1948), Langstreckenläufer
  • Volker Schimpff (* 1954), Politiker (CDU)

Außerdem sind einige große Namen mit der Stadt verbunden. Vor allem Albrecht der Bär, der in der Nikolai-Kapelle des Schlosses – zusammen mit seiner Gattin – beigesetzt ist. Ebenso wie Albrechts jüngster Sohn Bernhard III. (1140 – 1212), Graf von Askanien und Ballenstedt sowie Herzog von Sachsen. Verstorben in der Stadt sind zudem der Prediger Johann Caspar Häfeli (1754–1811) oder der Maler Karl Christian Kehrer (1755–1833).

Verkehrsanbindung und Bevölkerung

Mitten durch Ballenstedt verläuft die B185. In der Nähe liegen die Autobahnen A36 (10 km) sowie A14 (40 km). Durch die Stadt führt obendrein die Bahnstrecke Frose-Quedlinburg, die allerdings seit 2003 eingestellt ist. Dafür lockt der frühere Bahnhof heute mit Fewos und (künftig) einem Café. Im nahen Gernrode gibt es eine Haltestelle der Selketalbahn (HSB). Über Buslinien ist Ballenstedt mit Quedlinburg und Aschersleben verbunden. Eine Besonderheit der Kleinstadt am nördlichen Harzrand ist der Verkehrslandeplatz Ballenstedt-Harz samt einer 805 m langen Asphaltbahn für Flugzeuge bis 5,7 t.

Ballenstedt selbst zählt heute (Stand 12/2022) übrigens nur knapp 5.500 Einwohner. Dank den Einmeindungen

  • Opperode (seit 1950)
  • Badeborn (2002)
  • Radisleben (2010)
  • Rieder (2013)

kommt die Kleinstadt auf gut 9.000 Seelen. Seit 2010 gilt Ballenstedt übrigens als staatlich anerkannter Erholungsort. Durch den außerdem die Straße der Romanik verläuft.

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